Lob in Teams auf Augenhöhe – was kann man da machen?

Alfred Adler hat da ein paar psychologische Perspektiven, die helfen können.

In der modernen Arbeitswelt, besonders in Bereichen wie Softwareentwicklung, digitale Strategieentwicklung und Produktmanagement für digitale Dienste, stehen agile Prozesse und kreative Zusammenarbeit im Mittelpunkt. Ein wichtiger Punkt, der oft vergessen wird, ist die Art und Weise, wie wir Anerkennung und Feedback geben. Die Individualpsychologie Alfred Adlers kann dabei helfen, eine effektivere und harmonischere Teamkultur zu fördern.

Adlers Sicht auf Lob und Tadel

Alfred Adler, ein bekannter Psychologe aus dem frühen 20. Jahrhundert, sagte, dass sowohl Lob als auch Tadel als Mittel zur Motivation nicht funktionieren. Adlers Theorie dreht sich vor allem darum, dass alle gleichwertig sind und sich als Teil einer Gemeinschaft fühlen. Lob und Tadel schaffen aber eine Art von Beziehung, in der eine Person bewertet und die andere beurteilt wird. Das führt zu einer Hierarchie, die dem Prinzip der Gleichwertigkeit widerspricht. Lob kann aus mehreren Blickwinkeln problematisch sein.

Machtgefälle und Abhängigkeit

Wenn eine Führungskraft ein Teammitglied lobt, entsteht dadurch eine Hierarchie. Der Lobende ist in einer Machtposition, der Gelobte in einer Position der Abhängigkeit. Dadurch kann es passieren, dass sich der Gelobte weniger selbstständig und selbstwirksam fühlt. Ein Beispiel: Ein Entwickler, der für eine gut gelungene Implementierung gelobt wird, könnte das Gefühl haben, dass seine Kompetenz von der Bestätigung durch Vorgesetzte abhängt.

Externe Motivation vs. interne Motivation

Lob fördert externe Motivation. Das heißt, die Person handelt, um Anerkennung zu bekommen, statt aus eigenem Antrieb und innerer Überzeugung. In agilen Teams, die auf Selbstorganisation und intrinsischer Motivation aufbauen, kann das kontraproduktiv sein. Nehmen wir mal ein Beispiel aus der Praxis: Ein Experte für digitale Strategieentwicklung, der wiederholt für seine Ideen gelobt wird, könnte anfangen, Strategien zu entwickeln, die dem Chef gefallen, statt innovative und transformative Lösungen zu erarbeiten.

Selbstwertgefühl und Kompetenz

Wenn Teammitglieder ständig auf Lob angewiesen sind, kann das ihr Selbstwertgefühl und ihre Wahrnehmung der eigenen Kompetenz beeinträchtigen. Sie könnten denken, dass sie ohne Bestätigung von außen nicht gut genug sind. Nehmen wir mal an, ein Produktmanager für digitale Dienste bekommt nur dann positives Feedback, wenn er bestimmte Zielindikatoren erreicht. Dann könnte er sich bei ausbleibendem Lob als Versager fühlen, obwohl er objektiv gute Arbeit leistet.

Eine horizontale Beziehung fördern

Adler schlägt vor, Anerkennung auf eine Weise auszudrücken, die horizontale Beziehungen fördert, anstatt Lob zu verwenden. Das heißt, dass man die Teammitglieder als gleichwertig und kompetent betrachten und ihnen die Möglichkeit geben sollte, sich selbst zu reflektieren und zu beurteilen. Hier sind ein paar konkrete Tipps:

  1. Regelmäßige Feedback-Runden, in denen alle Teammitglieder ihre Meinung sagen und Tipps geben, stärken den Teamgeist und die gemeinsame Verantwortung. Ein digitales Entwicklungsteam könnte zum Beispiel einen Hackathon veranstalten. Dabei arbeiten alle gemeinsam an einer kreativen Lösung und reflektieren am Ende des Events ihre Erfahrungen und Erkenntnisse.
  2. Ermutigung statt Lob – Ermutigung zeigt, was jemand kann und was er noch alles erreichen kann, ohne dass es dabei eine Hierarchie gibt. Nehmen wir mal an, ein Entwickler hat einen Code geschrieben. Anstatt ihn dafür zu loben, könnte man ihn doch einfach ermutigen. Man könnte zum Beispiel einfach Dankbarkeit zeigen, dass er ein guter Problemlöser ist.
  3. Selbstbestimmung und Eigenverantwortung – Teams sollten die Freiheit haben, ihre eigenen Erfolge zu feiern und zu reflektieren. Das stärkt das Vertrauen in die eigene Kompetenz und fördert die Motivation, weil man sich selbst Ziele setzt und diese auch erreichen will. Ein Beispiel aus der Praxis: Ein Team aus Produktmanagern für digitale Dienste könnte eine Open-Space-Konferenz oder Barcamp organisieren. Dabei könnten die Teammitglieder selbst Themen vorschlagen und moderieren. So könnten sie gemeinsam kreative und praxisnahe Lösungen erarbeiten.

Die Individualpsychologie Adlers liefert mir immer wieder wertvolle Einsichten, um eine Kultur der horizontalen Beziehungen zu fördern. Wenn ich auf Lob und Tadel verzichte und stattdessen auf Ermutigung, konstruktive Reflexion und Selbstbestimmung setze, kann ich Teams schaffen, die wirklich kollaborativ und innovativ sind. Das ist vor allem in der digitalen Arbeitswelt wichtig, wo agile Prozesse und kreative Zusammenarbeit der Schlüssel zum Erfolg sind.